Genug ist genug. Stoppt den Lohnraub! Der Kampf geht weiter!

Fortsetzung..

2023 wird sicher in die Geschichtsbücher des Österreichischen Gewerkschaftsbundes eingehen. Ob als Sieg oder doch nur als letzte große sozialpartnerschaftliche Bemühung, das wird sich noch weisen. Dass in Österreich gestreikt wird, kommt ja nicht so oft vor. Dass in solchem Umfang wie jetzt, noch viel seltener. Neben den Metallern sind außerdem in diesem Jahr auch noch die Handelsangestellten in den Streik getreten, und das noch dazu in der Vorweihnachtszeit. Allerdings hat die Sache einen kleinen Haken. Die Handelsangestellten bestreiken nämlich nicht ganze Betriebe, wie es die Metallarbeiter tageweise tun, sondern sie streiken gestaffelt, so dass die Betriebe nicht zusperren müssen. Das ist freilich ein noch recht matter Streik, denn gerade in der Vorweihnachtszeit, wo man den Druck wunderbar aufbauen und verstärken könnte, droht freilich der Druck, den man den Unternehmen nicht macht, zu Lasten der Mitarbeiter zu gehen. Anders gesagt, das zu erledigende Arbeitspensum wird bestenfalls geringfügig zurückgehen, im Großen und Ganzen ist es aber vom übrig gebliebenen, diensthabenden Personal zu erledigen. Das bedeutet, dass die betroffenen Kollegen nun ebenfalls stärkeren Druck verspüren.

Dennoch ist ein wichtiger Schritt getan: Der Streik ist ausgerufen! Die Arbeitgeber haben sich nicht einmal bemüht um einen sozialen Ausgleich, wie er ja angeblich sozialpartnerschaftlich auszuhandeln wäre. Die angebotenen Lohnsteigerungen sind viel zu niedrig und Einmalzahlungen sind bloße Verhöhnung der Arbeiterschaft, keine Inflationsabgeltung, sondern Brosamen, die zukünftige Brosamen notwendig machen. Eigentlich sollten Einmalzahlungen unter das Suchtmittelgesetz fallen. Darum war Reinhold Binder, der Chefverhandler der Metallarbeitergewerkschaft, gezwungen, sich situationsangepasster Spracheleganz zu bedienen. Er hatte wirklich keine andere Wahl mehr: „Mit den Einmalzahlungen können’s scheißen gehen!“ Diese ungeschminkte Tatsache betrifft zunächst einmal alle Arbeitnehmer, und erst weil sie das erkannt haben, können sie jetzt den Spieß eventuell umdrehen und streikend die Arbeitgeber mit dieser unbestreitbaren Wahrheit konfrontieren.

Nicht anders bei den Handelsangestellten: Für sie hat sich Wolfgang Katzian stark gemacht und ebenfalls den eleganten Ton der Wahrheit getroffen. Über die Handelsangestellten sagte er: „… das sind die, die beklatscht wurden während der Corona-Pandemie, da waren sie systemrelevant. Und jetzt behandelt man sie wie einen nassen Fetzen.“ Und über die kommenden Kampfmaßnahmen stellte er in Aussicht: „Wer sich mit Einzelnen anlegt, legt sich mit uns allen an.“ Wenn das bloß keine leeren Worte bleiben!

Die Arbeitgeberseite zeigt sich bisher bemüht unbeeindruckt. Aber wirklich kalt lässt sie die Entschlossenheit der Arbeiterschaft natürlich nicht. Die Arbeitgeber wollen sich nichts anmerken lassen, aber doch beginnen sie bereits zu jammern und zu heulen. Freilich nicht über die Lohnforderungen erregen sie sich, sondern über den vermeintlich unzivilisierten Umgangston der Gewerkschafter: „nasser Fetzen“, „scheißen gehen“! Man möchte die Öffentlichkeit davon überzeugen, dass man mit solchem primitiven Pack nicht wirklich ernsthaft verhandeln könne. So unmäßig ihre Ausdrucksweise, so unmäßig ihre Forderung. Das möchte man der breiten Öffentlichkeit vermitteln, um selbst mit weißer Weste dazustehen und ja keine Solidarität aufkommen zu lassen. Ob das gelingt, hängt natürlich im Wesentlichen von der Entschlossenheit und Geschlossenheit der Arbeiterschaft ab. Denn ohne diese Geschlossenheit erweisen sich die Arbeiter dadurch geschwächt, dass sie auf der anderen Seite Konsumenten sind, und Konsumenten sind in den meisten Fällen im höchsten Grade unsolidarisch. Sie sind eben auf der anderen Seite. So schlägt sich die Entfremdung der Arbeiter im Ökonomischen wieder nieder.

Sollte es also den Unternehmern gelingen, die Geschlossenheit der Arbeiterschaft zu brechen, dann haben wir für die Zukunft wirklich Fürchterliches zu erwarten; nämlich nach der Einführung der Sozialpartnerschaft und 70 Jahren institutionalisiert gedämpften Klassenkampf deren Aufkündigung. Dann werden vermutlich die Arbeitgeber schon bald die Sozialpartnerschaft auflösen, weil sie, soweit die Arbeiterschaft selbst nicht darauf vorbereitet ist, damit gewaltig gewinnen.

Während diese Worte geschrieben wurden, haben sich die Kontrahenten der KV-Verhandlungen bei den Metallern darauf geeinigt, die Zügel nicht locker zu lassen und sich Lohnsteigerungen von durchschnittlichen 8,7 Prozent und bei den Ist-Löhnen um 10 Prozent die Verhandlungsmacht zu erhalten. Reinhold Binder meinte dazu: „Die Einigung bringt kräftige und vor allem dauerhafte Erhöhungen. Es war uns von Anfang an wichtig, dass gerade niedrige und mittlere Einkommensgruppen die Teuerung nachhaltig ausgeglichen bekommen. Dies ist mit einer Erhöhung von 10 Prozent gelungen.“ Gefordert wurden fast 3 Prozentpunkte, also 33 Prozent mehr. Anders gesagt hat die Unternehmerseite der Arbeiterschaft ganze 25 Prozent abgezwackt. Die Arbeiterschaft wird sich also in Zukunft zu fragen haben, ob sie es sich leisten kann, den Lohnkampf weiterhin nur institutionalisiert gedämpft und mit ritualisierten Streikaktionen versehen führen zu können. Um aber auch diese Frage schon einer günstigen Antwort für die Unternehmen zuzuführen, wurde in diesem Jahr die Gültigkeit des Kollektivvertrags mit 1.11.2023 für zwei Jahre festgelegt. Bis zu den nächsten Kollektivvertragsverhandlungen wird über finanzielle Einbußen und vergebene Chancen noch viel Wasser die Wangen herabströmen.

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