100 Jahre Kommunistische Internationale – Ihre Bedeutung und ihr Wirken

Die Kommunistische Internationale (3. Internationale, Komintern, KI) wurde vor 100 Jahren gegründet, in einer Klassenkampfsituation, die sich von der heutigen stark unterscheidet: Durch die Politik der Herrschenden im 1. Weltkrieg war es zu einer ungeheuren Verschärfung der Lebensbedingungen für die ArbeiterInnen und BäuerInnen gekommen und das hatte vor allem in Europa zu Aufständen, Rebellionen und Revolutionsversuchen geführt. Und zum ersten Mal in der Geschichte der ArbeiterInnenbewegung hatte das Proletariat unter Führung einer marxistischen Partei in einem Land – noch dazu im flächenmäßig größten Land der Welt –  die politische Macht erobert und hatte sofort radikale Umgestaltungen in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen durchgeführt. 46 Jahre nach der Niedermetzelung der Pariser Kommune war das ein gewaltiger Ansporn für Arbeiter- und Bauernmassen auf der ganzen Welt, und in Europa, hofften breite Teile der ArbeiterInnen, dass die Große Oktoberrevolution in Russland zum Auslöser einer weltweiten revolutionären Umgestaltung werden würde.

Die KI war historisch gesehen die 3. Internationale Arbeitervereinigung. Die 1. Internationale bestand ab 1864 nur ungefähr 10 Jahre (anfangs aus Einzelmitgliedern). Sie hatte vor allem eine theoretisch-ideologische Ausstrahlung, die bis heute andauert. Ihre Aufgabe bestand in erster Linie darin, kleinbürgerliche Strömungen (Anarchismus und Proudhonismus, Lassalleanismus, Tradeunionismus usw.) zu überwinden und die revolutionäre Arbeiterbewegung auf marxistische Grundlagen zu stellen. Die 2. Internationale wurde 1889 auf Initiative von Friedrich Engels gegründet, bestand bis 1914 aus Massenparteien und zerfiel mit dem Ersten Weltkrieg wegen der national-chauvinistischen und imperialistisch-kriegstreiberischen Haltung der Mehrzahl ihrer Parteien.

Seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs kämpften Lenin und andere revolutionäre Kräfte für den radikalen Bruch mit der zum „stinkenden Leichnam“ (Rosa Luxemburg) verkommenen Sozialdemokratie und orientierten sich auf die Gründung einer neuen Internationale. Die KI wurde 1919 gegründet. Sie hatte eine ungeheuer große Bedeutung für die Verbreitung des Marxismus-Leninismus auf der ganzen Welt. Fast in allen Ländern und abhängigen Gebieten der Welt entstanden Parteien oder zumindest Gruppen, die sich auf die Erfahrungen und Lehren der Oktoberrevolution stützten, mit positivem Interesse den Aufbau des Sozialismus in Sowjetrussland bzw. später der Sowjetunion verfolgten und unterstützten und daraus Lehren für die sozialistischen und demokratischen Revolutionen im jeweiligen eigenen Land zogen.

 

Die Bedeutung der KI-Dokumente als Bezugspunkt für die Anwendung des wissenschaftlichen Sozialismus und seine Weiterentwicklung hält (in deutlich verminderter Form) bis heute an – sowohl am Marxismus-Leninismus und Marxismus-Leninismus-Maoismus orientierte Parteien und Organisationen (wie auch „orthodoxe“ Revisionisten und Trotzkisten aller Art) beziehen sich in ihren Diskussionen fallweise und falls opportun auf verschiedene Dokumente der KI. Die KI hat in dem Vierteljahrhundert ihres Bestehens sehr unterschiedliche Klassenkampf-Phasen durchgemacht. Ihre Dokumente sind bis heute ein unschätzbarer Fundus für jede/jeden RevolutionärIn. Sie müssen studiert und für die kommunistische theoretische Arbeit nutzbar gemacht werden. Sie müssen allerdings stets im Zusammenhang der Geschichte der Klassenkämpfe dieser Periode betrachtet werden und es dürfen nicht, wie auch unter sich auf den Marxismus-Leninismus beziehenden Kräften oft üblich, einzelne Dokumente der KI willkürlich aus diesem Zusammenhang gerissen werden von Verschiebungen der Widersprüche der Imperialisten untereinander und der Kräfteverhältnisse.

 

Die KI hat die besten Traditionen der 1. und 2. Internationale aufgegriffen, praktisch ungesetzt und deren wissenschaftliche Erkenntnisse vertieft und weiterentwickelt.

Wesentliche Merkmale der von der KI weltweit verbreiteten Positionen sind die Orientierung auf die Machtergreifung des Proletariats in einer bewaffneten Revolution (bzw. des Proletariats im Bündnis mit den bäuerlichen Massen in kolonialen und halbkolonialen Ländern), die Errichtung der Diktatur des Proletariats in Gestalt einer Rätedemokratie, die möglichst rasche Enteignung aller Kapitalisten, den genossenschaftlichen Zusammenschluss des Kleinbürgertums u.a.

Die KI hatte großartige Verdienste in der internationalen Koordinierung der Klassenkämpfe bei gleichzeitiger Orientierung auf die Revolution und gegen den Hauptfeind im eigenen Land. Gegenüber früheren Internationalen legte die KI auch großes Gewicht auf die „koloniale Frage“ und beschleunigte den antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungskampf in aller Welt. Mit ihrem wirklichen Internationalismus steht sie in direktem Gegensatz zur 2. Internationale.

Besonders bedeutend war (und ist) die Ausarbeitung einer Strategie und Taktik der ArbeiterInnen-Einheitsfront durch die KI. Auch wenn diese Strategie und Taktik nicht immer korrekt und in verschiedenen Ländern fehlerhaft umgesetzt wurde, war ihre Ausarbeitung eine besonders bedeutende Leistung der KI, denn die ArbeiterInnenklasse ist immer in verschiedene politische Fraktionen gespalten.

 

Entsprechend der raschen und sprunghaften Entwicklung der Klassenkämpfe in den 1920er und 1930er Jahren war die KI im Lauf ihres kurzen Bestehens mit oft unterschiedlichen Klassenkampfsituation konfrontiert: revolutionäre Situationen ab 1918, Niederlagen und Abebben der revolutionären Massenbewegungen, wenige Jahre einer relativen Stabilisierung des Kapitalismus, Weltwirtschaftskrise, Vormarsch des Faschismus, Faschismus an der Macht, rasant wachsende und sich mehrfach verändernde Kriegsgefahr usw. Die KI versuchte immer rasch darauf zu reagieren, anfangs durch jährliche Konferenzen, später vor allem mithilfe des Exekutivkomitees (EKKI), in dem alle bedeutenden Parteien vertreten waren. Im Fokus der KI stand, was Europa betrifft, Deutschland (weil Deutschland von der KI als Hauptschlachtfeld der europäischen Revolution eingeschätzt wurde und dort die stärkste Sektion außerhalb der Sowjetunion bestand). Dabei darf aber vor allem die gewaltige Bedeutung der KI im antikolonialen und antiimperialistischen Befreiungskampf nicht übersehen werden.

 

Die ersten Jahre der KI und die Umorientierung nach dem Ende der revolutionären Nachkriegswelle

 

Am Beginn der Komintern 1919 war in vielen Ländern Europas nach dem Ende des 1. Weltkriegs die sozialistische Revolution greifbar nahe und wurde sowohl von ihren AnhängerInnen als auch von ihren Feinden als reale und unmittelbar umsetzbare Möglichkeit gesehen. Dementsprechend bildeten sich in vielen Ländern revolutionäre Parteien, die eine Mitgliedschaft in der KI anstrebten. Auf den jährlichen Weltkongressen wurden die Grundzüge der Aktivitäten festgelegt, und der Weg zur Revolution zum Teil in scharfen Debatten erarbeitet. In der Praxis stellte sich aber bald heraus, dass die neu gegründeten Mitgliedsparteien der KI (bzw. Sektionen) zu wenig Einfluss in der ArbeiterInnenklasse ihrer Länder hatten, um eine siegreiche Revolution durchzuführen. Andererseits konnten die Imperialisten ihr Wirtschaftssystem relativ bald wieder (vorübergehend) stabilisieren, wodurch die unmittelbare Organisierung eines Aufstands in den Hintergrund und die Gewinnung der Massen in den Vordergrund trat.

Wegen der immer offensichtlicheren Niederlage der sozialistischen Revolution in Deutschland nach der Niederlage im Hamburger Aufstand 1923 (sowie der Stabilisierung des Faschismus in Italien nach 1922 usw.) wurden die ursprünglichen Aufstandspläne der KI zumindest für die absehbare nächste Zeit aufgegeben und schrittweise durch einen längerfristigen Plan zum Herankommen an die Revolution ersetzt (Bolschewisierung der Parteien, Arbeitereinheitsfront …).

 

Ein Ergebnis dieser Umorientierung ist unter anderem die Orientierung auf die ArbeiterInnen-Einheitsfront und das Komintern-Programm von 1928. In diesem sind viele wichtige und unverzichtbare Lehren aus den Klassenkämpfen prägnant zusammengefasst, die bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben, aber hier nicht einzeln aufgezählt werden können.

 

Der Kampf gegen den erstarkenden Faschismus und die Auflösung der KI

 

Im Jahr 1928 wurde der Faschismus von der KI noch nicht als „feindliche Ideologie in der Arbeiterklasse“ eingeschätzt (KI-Programm, S.59; vgl. Kapitel VI, Abschnitt 1). Allerdings wird nebenbei festgestellt, dass die „Ideologen“ des „‚revolutionären Syndikalismus‘… in der kritischen Periode des Krieges in nicht geringer Zahl in das Lager der ‚antiparlamentarischen‘ Konterrevolution faschistischer Art übergingen“ (KI-Programm, S.65;  VI/1). Der damals schon aktuelle Kampf gegen imperialistische Kriege wurde noch nicht mit ernsthaften Bemühungen um eine antifaschistische ArbeiterInnen-Einheitsfront verbunden.

So sind beispielsweise auch die Aktionsprogramme der KPÖ von 1931 bis 1932 noch klar auf die „Entlarvung“ der Sozialdemokratie als „Schrittmacher des Faschismus“ (KPÖ, Wo ist der Ausweg?[1] ausgerichtet, denn „die Sozialdemokratische Partei … unterstützt alle Angriffe der Bourgeoisie gegen die Werktätigen“; und z.B. „in Ottakring haben die Nazi unter der Herrschaft der Sozialdemokraten eine Kaserne eröffnen dürfen, während man den Kommunistischen Jugendverband verboten hat“. (KPÖ, Dem neuen Weltkrieg entgegen.[2]

 

 

 

Erst nach dem Machtantritt des Faschismus in Deutschland, Österreich und weiteren Ländern hat der 7. KI-Kongress 1935 mit einer neuen Theorie der antifaschistischen Einheitsfront und Volksfront wichtige Weichen gestellt für den Sieg über den Faschismus: Unter Führung der Einheitsfront des Proletariats sollen antifaschistische Kräfte aus Kleinbauern, Kleinbürgertum und nichtmonopolistischen Teilen der Bourgeoisie zusammengeschlossen werden. Diese neue Orientierung (zusammengefasst im Dimitroff-Referat) führte später zu weltweiten Erfolgen, insbesondere auch im Kampf gegen den japanischen Faschismus und seine Besetzung halb Asiens und Ozeaniens. Zugleich wurde de facto die KI von einer demokratisch-zentralistischen Weltpartei (mit Sektionen in den einzelnen Ländern) zu einer Beratungs- und Koordinationsstelle umgewandelt und die selbstständige Arbeit als Verpflichtung und Aufgabe jeder einzelnen Partei besonders hervorgehoben.

Allerdings wurden damals (aus heutiger Sicht) wichtige Fragen des Übergangs von einer Volksfrontregierung (unter Einbeziehung antifaschistischer bürgerlicher Kräfte) zur sozialistischen Revolution (ggf. auf dem Weg über eine sozialistische Regierung der ArbeiterInnen-Parteien (ArbeiterInnen-Einheitsfront-Regierung)) nicht oder zumindest zu wenig theoretisch geklärt und auf den praktischen Kampf bezogen behandelt. Außerdem zeigten sich schon in einzelnen Länderbeiträgen zum Referat von Dimitroff Tendenzen, die Taktik mit der Strategie zu vermischen bzw. zu verwechseln (z.B. bei Togliatti/Ercoli). So kam es auch im Kampf gegen den Faschismus und am Ende des 2. Weltkriegs zu schwerwiegenden Fehlentwicklungen in den einzelnen Parteien (darunter z.B. auch in Österreich schon ab 1936[3]).

Die teilweise schweren rechtsopportunistischen Fehler in einzelnen Ländern wurden von der KI bzw. dem Exekutivkomitee (EKKI) in mehreren Fällen kritisiert und korrigiert (z.B. Frankreich), aber der Mangel einer von der Gesamtbewegung getragenen, klar und eindeutig formulierten, konsequent gegen alle rechtsopportunistischen Verwässerungs- und Entstellungsversuche verteidigten, den Kampf um die sozialistische Revolution vorwärtstreibenden Linie für die Verbindung des Kampfs gegen den Faschismus mit dem Kampf für die sozialistische Revolution wirkte sich negativ auf die Entwicklung vieler Parteien – nicht nur in Europa – aus.[4]

 

Zu den rechtsopportunistischen Fehlern trug auch eine schlechte Vermittlung zwischen strategischer Orientierung (samt einer Portion an strategischem Optimismus) und konkreter taktischer Lage bei. Pieck analysierte im Rechenschaftsbericht des EKKI einleitend „Das Heranreifen des neuen Aufschwungs der revolutionären Bewegung“ (Kap.I), und stellte fest: „Die Kräfte der Bourgeoisie sind schwächer geworden, die Kräfte, die Kräfte des Proletariats sind erstarkt.“ (Kap.V; Protokoll des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale, Erlangen 1974, S.78). Doch beherrschten die Frage der strategischen Defensive der Arbeiterklasse und die Diskussionen über „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse“ (Dimitroff) die Kongresstätigkeit

 

Die komplexen Gründe für die Auflösung der Komintern 1943 können hier nicht besprochen werden. Offensichtlich gab es schon vor oder zumindest kurz nach dem 7. Weltkongress 1935 tiefgehende Linienkämpfe in den Parteien angesichts der akuten Weltkriegsgefahr und des Aufschwungs des Faschismus. Hinzu kommt, dass einige Parteien (z.B. KP Italien) extrem geschwächt waren, und die meisten Kader vor dem Faschismus ins Ausland flüchten mussten, oft in die Sowjetunion. Das verstärkte wohl bürokratische Tendenzen in der Komintern, aber das Umsichgreifen rechter Tendenzen in vielen Ländern (darunter auch z.B. Frankreich, Italien, Deutschland, Österreich und vielen anderen) in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre oder auch extreme Rechtsentwicklungen wie z.B. die der KP USA erfolgten jeweils im eigenen Land und können weder einem Dimitroff, noch einem Stalin oder Schdanow oder wem auch immer angelastet werden. Bekanntlich wurden schon vorher die Abstände zwischen den KI-Kongressen immer größer, anfangs jährlich, nach dem 4. Kongress (1922) dann 1924, 1928 und 1935. Mit gewisser Berechtigung – und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass zwischen dem 6. und 7. KI-Kongress 5 äußerst ereignisreiche Jahre verstrichen – kann behauptet werden, dass die Komintern bereits 1928 als regelmäßiger internationaler Kongress kommunistischer Arbeiterparteien zu bestehen aufgehört hat und durch das Exekutivkomitee (EKKI) ersetzt wurde.

 

Die Rolle der KI für den Kampf gegen Kolonialismus und Imperialismus

 

Während nach Ende des zweiten Weltkriegs die Entwicklung der kommunistischen Bewegung in Westeuropa enttäuschend verlief und die Kommunistischen Parteien dieser Länder rasch im Revisionismus versumpften, waren KI-Parteien in kolonialen Gebieten wesentlich erfolgreicher. Nachdem die KI die Samen gelegt hatte, leiteten diese Parteien (auch nach der Auflösung der KI) antiimperialistische Befreiungskämpfe und neudemokratische Revolutionen an und entrissen dem Imperialismus riesige Kolonialgebiete. Leider sprengt das wichtige Thema des Beitrags der KI zum antikolonialen Kampf den Rahmen dieser Darstellung. Es soll deshalb nur festgehalten werden, dass die KI die „Beschränkung“ der „internationale ArbeiterInnenbewegung“ auf die Industrieländer zum ersten Mal bewusst durchbrochen hat und nach ausführlichen Diskussionen die „Diktatur der Arbeiter und Bauern“ als nächstes Ziel für diejenigen Länder bestimmt hat, wo die kapitalistische Entwicklung noch nicht weit fortgeschritten ist. In diesem Zusammenhang wurden die Agrarrevolution (gegen Feudalismus und feudale Reste) und die antiimperialistische Orientierung (gegen koloniale und halbkoloniale Unterdrückung) in den Mittelpunkt gestellt und eine revolutionäre Perspektive ohne kapitalistische Entwicklung entworfen.

 

Mehr als 100 Jahre nach Gründung der KI und 76 Jahre nach ihrer Auflösung müssen wir einerseits wichtige Dokumente studieren und aus den Erfahrungen lernen, aber uns andererseits davor hüten, schematisch Konzepte aus einer anderen Situation auf heute zu übertragen.

Die Sozialdemokratie von 1919 oder 1935 ist nicht die Sozialdemokratie von heute.

Die Gewerkschaften von damals sind was anderes als die heutigen Gewerkschaften in Österreich (oder Deutschland).

Die heutigen Reaktionäre und Faschisten sind nur bedingt mit den damaligen vergleichbar.

Auch die Probleme, mit denen uns der Kapitalismus heute konfrontiert, sind nur im Kern die gleichen, der Erscheinungsform aber oft gänzlich andere.

Aber:

Die kapitalistische Ausbeutung – d.h. die Aneignung des gesellschaftlich geschaffenen Mehrwerts nicht durch die Gesellschaft, sondern durch eine winzige Zahl von Besitzern der Produktionsmittel– besteht weiter.

Nach dem Ende der Kolonien geht die neokoloniale Ausplünderung – d.h. die durch imperialistische Strukturen erzwungene Aneignung der Reichtümer fremder Länder und der Überausbeutung ihrer Bevölkerung –weiter.

Die zwischenimperialistische Konkurrenz – d.h. die Eroberung fremder Länder samt Rohstoffen und billigen Arbeitskräften oder auch die Zerstörung der Einflussgebiete eines Konkurrenten um die Weltmacht – spitzt sich gegenwärtig immer mehr auf weitere mörderische Kriege und einen neuen imperialistischen Weltkrieg zu.

Weitgehend gleich geblieben ist also die Grundstruktur der kapitalistischen Wirtschaft, des bürgerlichen Staates und des Imperialismus. Deswegen macht es Sinn sich mit den Überlegungen und Erfahrungen der KI zu beschäftigen.

Wichtiger als: Was hat die Komintern damals gesagt? ist die Frage: Wie sind die GenossInnen damals an die Einschätzungen herangegangen? Worauf haben sie sich konzentriert? Warum haben sie manches vielleicht richtig eingeschätzt, waren aber dann doch nicht erfolgreich bei ihren Aktivitäten? Welchen Einfluss hatte dabei die oft bürokratische Durchsetzung von Beschlüssen innerhalb der KI als demokratisch-zentralistisch organisierter Weltpartei? Andererseits: Dort wo die jeweiligen Kommunistischen Parteien richtige Strategien und Taktiken entwickelten, konnten sie Erfolge erzielen (z.B. China, Korea, Vietnam, Kampuchea etc.), wo sie falsche Strategien und Taktiken entwickelten (z.B, in vielen Ländern Westeuropas, in Indien, in Indonesien usw.), nicht. In einigen Ländern haben sie Chancen aus der Hand gegeben (z.B. Italien oder Frankreich), in einigen schwere Niederlagen erlitten (z.B. Griechenland), ohne dass das jedoch der KI oder der Sowjetunion anzulasten wäre. Die Beschäftigung mit Geschichte führt nicht zu direkten Handlungsanweisungen für heute, sondern zu Erkenntnissen über Zusammenhänge, die für heute nutzbar gemacht werden können.

 

 

 

Wir möchten uns in unserem Beitrag aber keineswegs bloß auf die Geschichte der Kommunistischen Internationale beschränken. Für die Arbeit der heutigen KommunistInnen ist es unabdingbar sich auch mit den positiven wie negativen Wirkungen seit 1943 stattgefundener Versuche zur Konsolidierung antirevisionistischer, revolutionär-kommunistischer Kräfte zu befassen.

Nach den ersten öffentlichen Kritiken am Chruschtschow-Revisionismus (z.B. Die Briefserie der KPCh nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 oder Enver Hoxhas Rede in Moskau am 16.11.1960) wurde immer wieder die Frage der Neugründung einer Kommunistischen Internationale auf marxistisch-leninistischer Grundlage diskutiert. Entscheidender Wendepunkt im antirevisionistischen Kampf bildete der Vorschlag zur Generallinie 1963 seitens der KP China und die ab 1966 beginnende Große Proletarische Kulturrevolution. Aufgrund von Negativerfahrungen in Bezug auf die Überzentralisation der Komintern legten die chinesischen KommunistInnen während der 1960er und 70er den Fokus auf ideologische und politische Stärkung sowie die Eigeninitiative der einzelnen Parteien was allerdings ebenso mit einem Mangel an Koordination der antirevisionistischen Kräfte einherging.

Mit dem Tode Mao Zedongs 1976 und dem konterrevolutionären Putsch Deng Xiaopings und Hua Guofengs in Form der Verhaftung der Shanghai-Gruppe (sog. „Viererbande“) kam es zu einer Situation der verheerenden Desorientierung innerhalb der ML-Bewegung, in welcher sich sowohl die Drei-Welten-Theorie als auch der Dogmato-Revisionismus Enver Hoxhas ausbreiten konnte. In dieser Situation der Verwirrung begann 1980 aber auch ein Konsolidierungsprozess der VerteidigerInnen des revolutionären Erbe Mao Zedongs, der 1984 in der Gründung der RIM (Revolutionary internationalist movement) einen vorläufigen Höhepunkt finden sollte. Ziel der RIM und ihres Organs A World to Win war es. die Gründung neuer Parteien auf Grundlage des Marxismus-Leninismus-Maoismus zu beschleu-nigen, um so zur Revolution voranzukommen sowie den bewaffneten Kampf revolutionärer Bewegungen und Völker zu unterstützen und zu propagieren.

Trotz ihres Scheiterns im Laufe der 2000er bildet die RIM den wohl bis dato erfolgreichsten Versuch eines internationalen Zusammenschlusses kommunistischer Kräfte seit 1943 bzw. dem Niedergang der Kominform. So war es etwa die RIM als erste revolutionär-kommunistische Organisation, die sich seit 1928, respektive des antifaschistischen Befreiungskampfes und des Volkskrieges der KPCh, mit revolutions-theoretischen Überlegungen, insbesondere auch für imperialistische Länder befasste und klar die Notwendigkeit einer bewaffneten Machtergreifung des Proletariats und Errichtung einer Diktatur des Proletariats ins Zentrum rückte. Dennoch schaffte es die RIM ab einem gewissen Zeitpunkt nicht, neue Parteien von ihrer Linie zu überzeugen oder effektiv Neugründungen in Europa oder Afrika zu befördern. Ihre Wirkung blieb somit allen voran auf Südamerika, Asien und die USA beschränkt. Zudem waren einige bedeutende Parteien nicht in den Gründungsprozess der RIM involviert. Im Zuge des Zerfallsprozess taten sich drei, teils idealistische und revisionistische, teils voluntaristisch-dogmatische Strömungen innerhalb der RIM auf: Avakian, Prachanda und eine auf den Gonzalo-Ideen fußende Interpretation des MLM, welche allesamt bis heute eine liquidatorisch-dogmatische Wirkung auf die internationale Kommunistische Bewegung entfalten.

 

Als weiteren Versuch eines internationalen Zusammenschlusses ist die, ab Ende der 1980er Jahre aktive ICMLPO (International Conference of Marxist–Leninist Parties and Organizations) zu nennen die als Publikationsorgan den International Newsletter (ICMLPO-INL) herausgab. Ursprünglich positive Tendenzen in dieser haben sich durch die ideologische Dominanz reformistischer und liquidatorischer Kräfte nicht fortsetzen können. Sie muss heute als nicht mehr existent betrachtet werden.[5]

Als quasi Fortsetzung der ICMLPO propagiert allen voran die MLPD seit fast einem Jahrzehnt die 2010 gegründete ICOR (International Coordination of Revolutionary Parties and Organisations). Die ICOR ist breiter aufgestellt als die Vorgängerorganisation, für KommunistInnen bietet sie in ihrem Verständnis als internationalem Zusammenschluss hingegen keinerlei Perspektiven. Besonders die letzten Jahre haben den Charakter dieser Organisation als reine Kreatur der MLPD bestärkt. Auf ideologischer Ebene propagiert die ICOR ganz im Sinne der MLPD in Ansätzen auch das neorevisionistische Konzept betreffend der „Herausbildung neuimperialistischer Länder“ oder das trotzkistische der „internationalen sozialistischen Revolution“. Selbst der kleinste Versuch dagegen eine oppositionelle Stimme zu erheben geht entweder in einer Barrage seitens der MLPD und ihrer Satelliten zugrunde oder bleibt im Verständnis eines prinzipienlosen Meinungspluralismus undiskutiert. Andere, die wiederum ein gewisses Maß ein Einfluss hätten, entziehen sich bewusst ideologischen Debatten. Zusätzlich bietet die ICOR offen konterrevolutionären und im Legalismus versumpfenden Parteien wie etwa der CPI (ML) Red Flag, der CPN (Mashal) oder der PCP (Patria Roja) eine Heimstätte, die mit ihrer unentwegten Hetze gegen die revolutionäre Bewegung in ihren Ländern die Arbeit der Reaktion verrichten. Besonders die MLPD ziert sich nicht mit immer mehr revisionistischen Gruppierungen Anknüpfungspunkte zu suchen. Historisch ist das dieselbe Herangehensweise wie sie auch die revisionistische Partei der Arbeit Belgiens während der 1990er betrieb.

Wir schätzen die Arbeit von GenossInnen, die noch im Glauben sind man könne und müsse doch innerhalb der ICOR etwas ändern oder die aus verschiedensten Gründen darin mitarbeiten, meinen aber, dass der Gesamtcharakter dieses internationalen Zusammenschluss inzwischen als revisionistisch einzuschätzen ist. Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass wir gänzlich alle dort aktiven Organisationen als konterrevolutionär einschätzen.

 

Also ist die Frage für heute nur die der Rekonstruktion der RIM?

Nun so einfach ist diese Frage nicht zu beantworten. Obwohl man unserer Meinung nach die RIM als den bisher erfolgreichsten Versuch eines internationalen Zusammenschlusses der letzten Jahrzehnte einschätzen muss, so darf man ideologische Fehler und Mängel nicht verschweigen. Wie auch schon die RIM in ihrer Deklaration von 1984 festhielt, ist die Auswertung historischer Erfahrungen ein zentrales Element an der Weiterentwicklung der Generallinie. Für die Zukunft müssen die Fragen nach dem Zusammenbruch und des Scheiterns der RIM analysiert werden, die sicherlich tiefer sitzen als der zwar richtige, aber doch einfach gestrickte Vorwurf des Revisionismus einzelner Parteien oder des Siegs einer rechtsopportunistischen Linie.

Neuere Versuche um Maoist Road und die Vereinte Internationale Maoistische Konferenz (CIMU) sind vom Ansatz her interessant und sollten beobachtet werden, jedoch repräsentieren diese teilweise recht prominent jene internationale Strömung, die mit der fehlerhaften Konzeption einer unkritischen Übernahme die Lehren der peruanischen Revolution (Gonzalo-Denken) als Form der universellen Weiterentwicklung des MLM propagiert.

Die Hauptaufgabe einer neuen Internationalen Vereinigung besteht wohl darin, ihre Mitglieder bestmöglich zu unterstützen, sowohl im ideologischen, politischen und theoretischen als auch im materiellen und praktischen Bereich. Abgesehen von der existenziellen Frage der politischen, programmatischen Grundlagen stellen sich immer wieder zwei Fragen: Brauchen wir bereits heute, in einer Situation einer nicht auf internationalem Maßstab bestehenden revolutionären Situation, eine politisch-militärische Kommandostelle wie die KI? und: Wie soll eine heutige Internationale aussehen?

Diese Fragen sind schwierig zu beantworten, zumal sich die revolutionären Kräfte heute weltweit in einer Minderheit befinden und es sich um praktische Fragen handelt, welche der Klassenkampf weisen muss. Klar ist, dass ein internationaler Zusammenschluss heute nur in Form einer Debatte und des ideologischen Austausches seine Existenzberechtigung hat. Der Aufbau einer neuen Internationale wird nur mithilfe einer konkreten Analyse, effektiver Massenarbeit und konstantem Austausch auf Basis der Prinzipien von Einheit-Kritik-Einheit und Kampf-Kritik-Umgestaltung jenen Erfolg haben um die notwendige ideologische Einheit zur Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus und des Marxismus-Leninismus-Maoismus zu schaffen und sie für die konkreten Bedingungen der Revolution eines jeden Landes anzuwenden.

 

[1] Wo ist der Ausweg? Programm der Kommunistischen Partei zur sozialen und nationalen Befreiung der Werktätigen Österreichs (1931), in: Programmatische Erklärungen der Kommunistischen Partei Österreichs 1921 bis 1933, Wien 1997, S.28

[2] Dem neuen Weltkrieg entgegen (1932), Schutzprogram der werktätigen Frau; in: Programmatische Erklärungen der Kommunistischen Partei Österreichs 1921 bis 1933, Wien 1997, S.64. Ohne genauer auf die verschiedenen Ausprägungen der Sozialfaschismus-These einzugehen, wird mit solchen Aussagen nicht unterschieden zwischen sozialdemokratischen ArbeiterInnen, die ja die Masse der Parteimitglieder bilden, und den Arbeiteraristokraten und Arbeiterbürokraten in der Führung, die isoliert werden müssen, um die Massen für die Einheitsfront zu gewinnen. Nebenbei: Der KJVÖ wurde 1933 zwar nicht von der sozialdemokratischen Stadtregierung in Wien, sondern von der christlich-sozialen, austrofaschistischen Bundesregierung verboten, aber unter wohlwollender Zustimmung der Sozialdemokratie, die – wie die deutsche Schwesterpartei – in den Kommunisten ihren Hauptfeind sah.

[3] Vgl. „KPÖ auf dem Weg in den Revisionismus“, in: Proletarische Revolution 34, Wien 2008, S.7-15

[4] Vgl. dazu am spanischen Beispiel: „Antifaschistischer Volksbefreiungskrieg in Spanien 1936-39 und die KP Spaniens“ in: Proletarische Revolution 24, Wien 2006, S.13-17 (Dort wird u.a. auch die ausführliche Selbstkritik des KPSp-Vorsitzenden Jose Diaz aus dem Jahr 1940 referiert, worin dieser betont: „… die KP war zu wenig gefestigt und zu wenig eng mit den Volksmassen verbunden, um eine wirklich eigenständige Politik entwickeln zu können; die Losung zur Bildung einer kämpferischen Volksfrontregierung wurde nicht umgesetzt; und um die Volksfront nicht zu gefährden, verabsäumte es die KP, die Volksmassen gegen die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Verräter zu mobilisieren.“ ebd. S.14); vgl. weiters: „Spanischer Bürgerkrieg – Der nationalrevolutionäre Krieg 1936-39“  in: Proletarische Revolution 63, Wien 2016, S.44-50

[5] In Abgrenzung zur RIM und zur ICMLPO-INL wurde in Quito 1994 die gleichlautende „Internationale Konferenz marxistisch-leninistischer Parteien und Organisationen“ (mit dem Publikationsorgan „Unity and Struggle“) als Zusammenschluss der an der PdA Albanien orientierten Parteien und Organisationen geschaffen. Sie stehen in Tradition des Hoxhaismus, der die theoretischen und praktischen Beiträge der KP China und Maos als „kleinbäuerlichen Revolutionarismus“ verurteilt.

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